Rolf Anliker
aus Bülach wird zur Adventszeit zum Samichlaus.
Am Podium diskutierten: KESB-Präsident Arnold Wittwer, Claudia Ryter, Leiterin Soziales, Gemeinde Niederhasli, Lorenz Sonderegger, Leiter kjz Regensdorf, Sandra Ammann, Schulsozialarbeiterin. Daniel Frei (mitte), Geschäftsleiter Sozialdienste, moderierte. sti
Die Sozialkonferenz Bezirk Dielsdorf lud nach Otelfingen zum Herbstanlass mit dem Thema KESB. Anhand von Fällen wurde ein Überblick gegeben, sowie über «Stolpersteine» und «Lichtblicke» berichtet. In der Podiumsdiskussion ging es vor allem um Schnittstellen und Finanzen.
Bezirk Dielsdorf Beat Fahrni, Präsident der Sozialkonferenz Dielsdorf, lud zum Herbstanlass mit dem Thema Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) am vergangenen Donnerstag nach Otelfingen ein, die ihre Arbeit vorstellte. «Die KESB sieht man wie die Polizei am liebsten von hinten», sagt Fahrni, der für die Zürcher Stadtpolizei über 30 Jahre lang im Einsatz war. «Wenn man Hilfe braucht, kann die KESB nicht schnell genug zur Stelle sein, wenn sie unangenehme Massnahmen anordnen muss, möchte man nichts mit ihr ihr zu tun haben», so Fahrni.
Gerade im Falle der KESB halte er es für wichtig, dass die Bevölkerung mehr als nur die spektakulären Fälle kenne, sondern Fakten über die alltägliche Arbeit der Behörde erfahre, sagte Beat Fahrni.
Arnold Wittwer, Präsident der KESB Bezirk Dielsdorf, stellte im reformierten Kirchgemeindesaal aktuelle Fälle vor. Nicht selten seien es medizinische Probleme, zu denen sie beigezogen würden. Zuerst ging es um zwei jugendliche Mädchen. Fabienne (Name geändert, 17) befinde sich seit drei Jahren mit Magersucht in stationärer Spitalbehandlung. «Zusammen mit den Eltern wird sie von der KESB eng begleitet, es wurde eine Beistandschaft errichtet», erklärte Wittwer. «Die Situation ist für den Teenager gravierend und phasenweise auch lebensbedrohlich, aber auch sehr belastend für die Eltern und Geschwister. «Manchmal sind wir hilflos», so Wittwer, der den Glauben nicht aufgegeben hat, dass Fabienne, zur Zeit mit teilstationärer Behandlung, langsam wieder in ein normales Leben zurückfinden kann. Madeleine (Name geändert, 13) leidet an einem starken Geburtsgebrechen (mit zu erwartenden schweren Folgeschäden). Sie weigere sich gemeinsam mit den Eltern, eine Operation vorzunehmen. «Wir können nur immer wieder das Gespräch suchen. Man kann niemanden zu einer Operation zwingen».
Eine zuerst tragische Geschichte, mit späterer Wendung zum Guten, handelte von einer Mutter mit Kleinkindern, die gemäss Wittwer wegen psychischer Probleme und Überforderung das jüngere Kind misshandelte und sich daraufhin selber bei ihrem Arzt gemeldet hatte. Als die KESB eingeschritten sei, habe sich die Mutter vor lauter Angst vor Kindesentzug nicht helfen lassen wollen, die Kinder seien deshalb vorübergehend innerhalb der weiteren Verwandtschaft untergebracht worden. «Doch schliesslich willigte sie in eine Therapie ein, die Situation beruhigte sich und die Kinder wohnen wieder zu Hause». Häusliche Gewalt sei im Bezirk Dielsdorf ein häufiger Grund, warum die KESB gerufen werde. Diese könne nicht allen Fällen sofort nachgehen.
Knacknüsse stellten dabei auch hochstrittige Beziehungen von getrennten Eltern mit Kontaktverweigerungen zu den Kindern dar. «Wenn es aber um Leben und Tod geht, können wir nicht lange warten», so Wittwer. Angst brauche man keine zu haben. Die KESB sei in das Schweizer Justizsystem eingebunden. «Jeder Entscheid kann angefochten werden.» Zudem unterstehe die Behörde einer Aufsicht, erklärte der KESB-Präsident, um den Eindruck von Übermacht und Willkür zu entkräften, der in der Bevölkerung nach Medienberichten über krasse Fälle entstehe. «Ein Vorsorgeauftrag verhindert im Alter oftmals das Einschreiten der KESB, fügte er als Tipp vor unangenehmen Überraschungen hinzu.
Anschliessend an das Referat diskutierten im Rahmen eines Podiumsgesprächs nebst Wittwer Lorenz Sonderegger, Leiter kjz Regensdorf, Claudia Ryter, Abteilungsleiterin Soziales Gemeinde Niederhasli, Sandra Ammann, Schulsozialarbeiterin Sek Regensdorf/Buchs/Dällikon. Es moderierte Daniel Frei, Geschäftsleiter Sozialdienste Bezirk Dielsdorf. Im Gespräch mit den anwesenden 51 Vertretern von Behörden, Kommissionen, Schulen, Beratungsstellen und Pflegediensten herrschte Einigkeit, dass eine Unterstützung von auffälligen Kindern möglichst früh beginnen müsse. «Im fortgeschrittenen Jugendalter ist es oft zu spät, um Entwicklungsdefizite noch auszugleichen», sagte Wittwer.
Gewünscht wurde, dass die Schnittstellen der verschiedenen Angebote und Behörden verbessert werden und das «Nachbarsgärtli» trotz Datenschutz und Schweigepflicht leichter betretbar werde. Natürlich waren auch die Finanzen Thema. «Unsere Massnahmen sind nicht willkürlich, die Gemeinden können sich darauf verlassen, dass wir jeden Fall sorgfältig abklären», erklärte Wittwer. Die Institutionen bestimmten die Preise, frei seien hier vor allem die privaten Anbieter. «Eine Familie kann deshalb die Gemeinde rasch einmal viel Geld pro Jahr kosten.» Von der Schule war zu erfahren, dass in der Oberstufe nicht Suchtprobleme im Vordergrund stünden, sondern Vernachlässigung, die sich bereits in der Primarschule auf die Psyche der Kinder auswirke. «Wir haben ein Problem mit der Beweisbarkeit», sagte Schulsozialarbeiterin Sandra Ammann.
Bettina Sticher
Für die KESB Bezirk Dielsdorf arbeiten rund 22 bis 23 Angestellte, verteilt auf insgesamt 18 Vollzeitstellen und sind für den Kindes- und Erwachsenenschutz von 90 000 Einwohner in 22 Gemeinden zuständig.
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