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Sonntag, 7. März 2021
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Theoretisch verfügt die Schweiz über Pandemie-Erfahrung. Die Behörden agierten während der Spanischen Grippe 1918 ähnlich wie heute. Daraus könnte man lernen. weiterlesen
Premiere im Personaltrakt: Franca D’Agostini erhielt als dienstälteste Mitarbeiterin einen eigenen Weg. Foto: Martina Kleinsorg
Der gute Verdienst lockte Franca D’Agostini als junge Frau ans Spital Bülach – 46 Jahre später arbeitete dort niemand länger als sie. Zur Ehrung der pensionierten Leiterin Reinigung Bettenstationen wurde ein Gang nach ihr benannt.
Bülach. Als Franca D´Agostini am 13. Mai 1974 mit 18 Jahren nach Bülach kam, um Tags drauf als Reinigungskraft im Spital zu beginnen, hatte sie einen Plan: «Ich wollte schnell Geld verdienen, den Führerausweis machen, mir ein Auto kaufen und zurück nach Italien gehen.» Ihre Eltern waren als Hilfsmetzgerin und Schreiner nach St. Moritz ausgewandert, während sie bei Grossmutter und Tante im Dorf Lamon in der norditalienischen Provinz Belluno aufwuchs. Wie viele Mädchen aus der Gegend hatte sie die beiden Sommer zuvor im Eiscafé ihres Onkels im deutschen Lippstadt gearbeitet, als eine Cousine aus Niederhasli ihr den Tipp mit der gut bezahlten Arbeit in Bülach gab. «Ich brauchte nur anzurufen, schon schickte man mir einen Zweijahresvertrag.»
Die ersten drei Tage im Spital hatte ich einfach die Hände im Sack», erinnert sich Franca D´Agostini. Sie sollte zuschauen und entscheiden, ob die Arbeit etwas für sie ist. «Meinen Koffer habe ich eine Woche lang nicht ausgepackt und viel geweint - ich kannte ja niemanden dort.» Doch mit dem ersten Lohn hob sich ihre Stimmung sofort: «600 Franken gab es für einen halben Monat - in Italien hätte ich dreimal solange dafür arbeiten müssen.» Die Kolleginnen, mit denen sie in der «Villa 99», dem damaligen Personalhaus auf dem Spitalgelände, wohnte, halfen ihr beim Eingewöhnen: «Wir waren viele junge Leute mit allen möglichen Nationalitäten, abends kochten wir und machten Musik, wir hatten es schön und lustig zusammen.» Die Arbeit gefiel ihr, der Umgang mit Kranken, der Anblick von Toten machte ihr nichts aus. «Es berührte mich, doch konnte ich die Gefühle rasch abschütteln», sagt D´Agostini.
Die ersten zwei Jahre arbeitete sie in der Patientenabteilung. Damals wurde das Geschirr noch von Hand gewaschen, nicht wie heute in der grossen Maschine. «Plastiksäcke oder Einweglappen gab es nicht: Die Papierkörbe kleideten wir mit alten Zeitungen aus, Putzlumpen reinigten wir abends in Desinfektionsmittel und die Handschuhe trugen wir eine ganze Woche.» 1978 wurde ihr Sohn Elvis geboren, sie zog zu seinem Vater in die Berglistrasse, doch sollte er sich nicht als Mann fürs Leben entpuppen. Auch als allein erziehende Mutter hat sie immer Vollzeit gearbeitet, Elvis wusste sie in der Krippe gegenüber dem Spital gut aufgehoben, die Wochenenden hielt sie sich frei.
«Sauberkeit ist wichtig, man sieht das Resultat unserer Arbeit sofort», weiss Franca D´Agostini um deren Wert. «Ich habe zwar selten Komplimente dafür erhalten, doch noch seltener gab es eine Reklamation.» Ein Monatsplan regelt die Arbeit vier Wochen im Voraus, zwei Personen sind pro Station mit dem Putzwagen unterwegs. In zehn bis 15 Minuten reinigt eine das Zimmer, die andere den Nassbereich, im stetigen Wechsel - und möglichst ohne Lärm. Der Kontakt mit den Patienten ist gering: «Wir wünschen guten Morgen und dürfen keine Fragen stellen, kurz und freundlich antworten natürlich schon.» Auch untereinander sind Gespräche nicht erwünscht: «Die Patienten sollen nicht denken, dass wir über sie reden.»
Das Spital vergrösserte sich stetig, es wurde angebaut und aufgestockt, die Zahl der Mitarbeiter wuchs und mit den Jahren auch Franca D´Agostinis Verantwortung: 1996 wurde sie zur Koordinatorin Reinigungsdienst befördert, begleitet von zahlreichen Weiterbildungen. Personal rekrutieren und motivieren, Besprechungen, Konflikte schlichten - neben den Führungsaufgaben arbeitete sie mit Freude regelmässig weiter an der Front, bis sie im September 2019 mit 64 Jahren das Pensionierungsalter erreichte. «Um nicht auf einen Schlag aufhören zu müssen, hängte ich noch ein Jahr als Co-Leiterin im 50-Prozent-Pensum an.»
Trotz der strengen körperlichen Arbeit nur selten krank, vertrat sie sich ausgerechnet im vergangenen Juni den Fuss. Sie hielt es zunächst für eine Bagatelle, doch schwoll der Fuss immer mehr an. Angebrochen, lautete die Diagnose nach dem MRI, «danach musste ich an Krücken gehen, meine letzten Wochen hatte ich mir definitiv anders vorgestellt». Corona-bedingt fiel eine Verabschiedung im grossen Kreis aus. «Das hätte ich sowieso nicht gewollt», sagt D´Agostini und ging stattdessen mit Vorgesetzten und Kolleginnen essen. «Mir wurde schon eng ums Herz», erinnert sie sich. Alte Aufnahmen vom Spital habe sie sich zum Abschied gewünscht, diese schmücken nun die Stube ihrer schönen Wohnung am Unterweg.
Im Spital wurde der dienstältesten Mitarbeiterin eine besondere Ehrung zuteil: «Als meine Chefin mir zum 45-Jahr-Jubiläum neben Blumen ein Strassenschild mit meinem Namen als Karte überreichte, hielt ich es zunächst für einen Witz.» Als «Franca-Weg» markiert nun eine Emaille-Plakette den langen Flur des Mitarbeitertraktes zwischen ihrem einstigen Büro, Bettenzentrum und Garderoben. «Den Gang bin ich früher hundert Mal am Tag auf und ab gelaufen.» Zehn, zwölf Kilometer habe sie pro Schicht locker geschafft, sagt D´Agostini. Ähnliche Strecken läuft sie auch heute noch täglich, am liebsten durch die Natur: «Ich brauche die Bewegung, doch am Morgen schlafe ich nun erst einmal aus.»
Martina Kleinsorg
Premiere im Personaltrakt: Franca D’Agostini erhielt als dienstälteste Mitarbeiterin einen eigenen Weg. Foto: Martina Kleinsorg
Der gute Verdienst lockte Franca D’Agostini als junge Frau ans Spital Bülach – 46 Jahre später arbeitete dort niemand länger als sie. Zur Ehrung der pensionierten Leiterin Reinigung Bettenstationen wurde ein Gang nach ihr benannt.
Bülach. Als Franca D´Agostini am 13. Mai 1974 mit 18 Jahren nach Bülach kam, um Tags drauf als Reinigungskraft im Spital zu beginnen, hatte sie einen Plan: «Ich wollte schnell Geld verdienen, den Führerausweis machen, mir ein Auto kaufen und zurück nach Italien gehen.» Ihre Eltern waren als Hilfsmetzgerin und Schreiner nach St. Moritz ausgewandert, während sie bei Grossmutter und Tante im Dorf Lamon in der norditalienischen Provinz Belluno aufwuchs. Wie viele Mädchen aus der Gegend hatte sie die beiden Sommer zuvor im Eiscafé ihres Onkels im deutschen Lippstadt gearbeitet, als eine Cousine aus Niederhasli ihr den Tipp mit der gut bezahlten Arbeit in Bülach gab. «Ich brauchte nur anzurufen, schon schickte man mir einen Zweijahresvertrag.»
Die ersten drei Tage im Spital hatte ich einfach die Hände im Sack», erinnert sich Franca D´Agostini. Sie sollte zuschauen und entscheiden, ob die Arbeit etwas für sie ist. «Meinen Koffer habe ich eine Woche lang nicht ausgepackt und viel geweint - ich kannte ja niemanden dort.» Doch mit dem ersten Lohn hob sich ihre Stimmung sofort: «600 Franken gab es für einen halben Monat - in Italien hätte ich dreimal solange dafür arbeiten müssen.» Die Kolleginnen, mit denen sie in der «Villa 99», dem damaligen Personalhaus auf dem Spitalgelände, wohnte, halfen ihr beim Eingewöhnen: «Wir waren viele junge Leute mit allen möglichen Nationalitäten, abends kochten wir und machten Musik, wir hatten es schön und lustig zusammen.» Die Arbeit gefiel ihr, der Umgang mit Kranken, der Anblick von Toten machte ihr nichts aus. «Es berührte mich, doch konnte ich die Gefühle rasch abschütteln», sagt D´Agostini.
Die ersten zwei Jahre arbeitete sie in der Patientenabteilung. Damals wurde das Geschirr noch von Hand gewaschen, nicht wie heute in der grossen Maschine. «Plastiksäcke oder Einweglappen gab es nicht: Die Papierkörbe kleideten wir mit alten Zeitungen aus, Putzlumpen reinigten wir abends in Desinfektionsmittel und die Handschuhe trugen wir eine ganze Woche.» 1978 wurde ihr Sohn Elvis geboren, sie zog zu seinem Vater in die Berglistrasse, doch sollte er sich nicht als Mann fürs Leben entpuppen. Auch als allein erziehende Mutter hat sie immer Vollzeit gearbeitet, Elvis wusste sie in der Krippe gegenüber dem Spital gut aufgehoben, die Wochenenden hielt sie sich frei.
«Sauberkeit ist wichtig, man sieht das Resultat unserer Arbeit sofort», weiss Franca D´Agostini um deren Wert. «Ich habe zwar selten Komplimente dafür erhalten, doch noch seltener gab es eine Reklamation.» Ein Monatsplan regelt die Arbeit vier Wochen im Voraus, zwei Personen sind pro Station mit dem Putzwagen unterwegs. In zehn bis 15 Minuten reinigt eine das Zimmer, die andere den Nassbereich, im stetigen Wechsel - und möglichst ohne Lärm. Der Kontakt mit den Patienten ist gering: «Wir wünschen guten Morgen und dürfen keine Fragen stellen, kurz und freundlich antworten natürlich schon.» Auch untereinander sind Gespräche nicht erwünscht: «Die Patienten sollen nicht denken, dass wir über sie reden.»
Das Spital vergrösserte sich stetig, es wurde angebaut und aufgestockt, die Zahl der Mitarbeiter wuchs und mit den Jahren auch Franca D´Agostinis Verantwortung: 1996 wurde sie zur Koordinatorin Reinigungsdienst befördert, begleitet von zahlreichen Weiterbildungen. Personal rekrutieren und motivieren, Besprechungen, Konflikte schlichten - neben den Führungsaufgaben arbeitete sie mit Freude regelmässig weiter an der Front, bis sie im September 2019 mit 64 Jahren das Pensionierungsalter erreichte. «Um nicht auf einen Schlag aufhören zu müssen, hängte ich noch ein Jahr als Co-Leiterin im 50-Prozent-Pensum an.»
Trotz der strengen körperlichen Arbeit nur selten krank, vertrat sie sich ausgerechnet im vergangenen Juni den Fuss. Sie hielt es zunächst für eine Bagatelle, doch schwoll der Fuss immer mehr an. Angebrochen, lautete die Diagnose nach dem MRI, «danach musste ich an Krücken gehen, meine letzten Wochen hatte ich mir definitiv anders vorgestellt». Corona-bedingt fiel eine Verabschiedung im grossen Kreis aus. «Das hätte ich sowieso nicht gewollt», sagt D´Agostini und ging stattdessen mit Vorgesetzten und Kolleginnen essen. «Mir wurde schon eng ums Herz», erinnert sie sich. Alte Aufnahmen vom Spital habe sie sich zum Abschied gewünscht, diese schmücken nun die Stube ihrer schönen Wohnung am Unterweg.
Im Spital wurde der dienstältesten Mitarbeiterin eine besondere Ehrung zuteil: «Als meine Chefin mir zum 45-Jahr-Jubiläum neben Blumen ein Strassenschild mit meinem Namen als Karte überreichte, hielt ich es zunächst für einen Witz.» Als «Franca-Weg» markiert nun eine Emaille-Plakette den langen Flur des Mitarbeitertraktes zwischen ihrem einstigen Büro, Bettenzentrum und Garderoben. «Den Gang bin ich früher hundert Mal am Tag auf und ab gelaufen.» Zehn, zwölf Kilometer habe sie pro Schicht locker geschafft, sagt D´Agostini. Ähnliche Strecken läuft sie auch heute noch täglich, am liebsten durch die Natur: «Ich brauche die Bewegung, doch am Morgen schlafe ich nun erst einmal aus.»
Martina Kleinsorg
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